David Reeb


David Reeb malt Bilder auf der Grundlage von Pressephotographien, die von der Geschichte seines Landes erzählen: von der Besetzung palästinensischer Gebiete, von der Intifada oder auch, und das betrifft einige der auf der documenta 10 präsentierten Werke, von der Möglichkeit eines neuen Krieges (Let's have another war). Doch geht es in seinen Gemälden nicht um glorreiche Taten oder entscheidende Ereignisse. Sie betonen weder die dramatische Dimension noch die obszönsten Seiten der Gewalttätigkeiten, sonder zeigen die Routine der Verhaftungen und kleinen Scharmützel, die Banalität der alltäglichen Unterdrückung, der Gefahr und der Wut. Entsprechend sind die Protagonisten dieser Bilder denn auch keine heroischen Gestalten, Führer oder Märtyrer. Es sind anonyme Soldaten, Durchschnittsbürger, Leute aus dem Volk. Auf dem Bildern, die er verwertet, gibt es keine Hierarchie, niemand genießt einen Vorzug oder wird als Ikone stilisiert, jeder ist in gleicher Weise Teil des leidvollen zeitge- schichtlichen Kontinuums. Die geopolitische Problematik Israels läßt sich in ihrer Komplexität nicht auf ein symbolisches Bild reduzieren und besitzt auch keine für alle Zeiten gültige Form, auch nicht in Gestalt einer Grenze, die die Besetzung von Gebieten markiert. Wenn Reeb oft die berühmte „Grüne Linie" zum Vorwurf nimmt, dann tut er das, um daran zu erinnern, daß hier die zukünftige Form Israels auf dem Spiel steht, und um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Rolle der Bildeinstellung selbst zu lenken, aus der die Dinge wahrgenommen sind. Nach diesen Kriterien wählt Reeb seine Bildvorwürfe aus den vielen Photographien aus, die die Aktualität der israelischen Presse bestimmen und die emotionale Bewertung der Ereignisse bedingen. Seit einigen Jahren arbeitet er hauptsächlich mit Bildern von Miki Kratzman, dessen photographische Arbeit er sehr schätzt. Reebs Gemälde kopieren die Pressebilder nicht, sie übersetzen sie vielmehr in eine andere Sprache. Die minuziösen Einzelheiten und deskriptiven Nuancen gehen in den schnellen und nervösen Pinselstrichen verloren, die dafür aber um so e- nergischer nach einer Deutung des Ganzen verlangen und die dem Pressephoto eigene Fiktion zerstören, es sei doch alles klar. Doch wie subjektiv seine Intervention auch sein mag, die Geschichte, die Reeb mit seinen Bildern erzählt, ist eine kollektive.

Wenn die Arbeit David Reebs auch durch ein starkes politisches Engagement bestimmter Couleur geprägt ist – vor einigen Jahren malte er bei seiner Ausstellung im Museum von Tel Aviv die Fahne der PLO auf die Wände und wurde von der Museumsleitung gezwungen, dies zu entfernen, und damit bestraft, daß sein Katalog nicht erschien -, so ist die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete doch nicht das einzige Motiv seiner Arbeit. Seine Aufmerksamkeit galt stets auch anderer, historisch weniger bedeutsamen Themen. Diese Zwiespältigkeit spiegelt die Alltagswirklichkeit seines Landes wi- der. In der Vielfalt seiner Themen und seinen Variationen ein und desselben Bildes zeigt sich Reebs Glaube an die Möglichkeiten der Malerei, doch seine Provozierbarkeit durch Aktualität verhindert, daß er das Medium der Malerei zu einer autonomen und selbstgenügsamen Realität fetischisiert.